[11.01.2016] Jahre nach dem Atomunfall in Fukushima wurden wiederholt größere Mengen an Radioaktivität durch die Luft fortgetragen und führten zu Kontaminationen in Gebieten nördlich des Atomkraftwerks, die zuvor vergleichsweise gering kontaminiert waren. Das haben Analysen von drei Luftfilterstationen ergeben, die von einer europäisch-japanischen Forschergruppe in der Zeit von Oktober 2012 bis März 2014 durchgeführt wurden.
In der Nähe der Stadt Minamisoma, 26 km nördlich des havarierten Atomkraftwerks, kam es im Mai, im Juni und im August 2013 zu deutlich erhöhten Konzentrationen von radioaktivem Cäsium in der Luft. Die größte Konzentration (30-fach über dem Durchschnitt) wurde für die Woche vom 15. bis zum 22. August 2013 ermittelt. Für die anderen beiden Luftfilterstationen, 48 km nordwestlich (Tamano/Soma) bzw. 22 km südwestlich (Kamikawauchi/Kawauchi) des Atomkraftwerksstandorts wurden die Zeiten mit erhöhten Cäsium-Konzentrationen nicht veröffentlicht.
Zusätzlich wurden in Bodenproben erhöhte Strontium-90-Konzentration gefunden (78 Bq/kg), die in einer solchen Entfernung vom Atomkraftwerksstandort nicht erwartet worden waren. Strontium-90 stellt, wie Cäsium-137, ein langlebiges radioaktives Isotop dar, welches nach Atomkatastrophen die Umwelt über Jahrhunderte verseucht und aufgrund seiner langen biologischen Halbwertszeit, einmal aufgenommen vom Körper, praktisch nicht mehr ausgeschieden werden kann. Es wird in Knochen eingelagert und verstrahlt dort lebenslang das empfindliche Knochenmark.
Leukämien und Knochentumoren sind die möglichen Folgen. Strontium ist technisch schwer nachweisbar und so besteht die begründete Sorge, dass das Isotop in Japan eine weitaus größere populationsmedizinische Bedeutung haben wird als bislang vermutet. Da es nun auch in großer Entfernung zum havarierten Kraftwerk gefunden wurde, gehen die Autoren davon aus, dass Erdarbeiten auf dem Kraftwerksgelände ursächlich in Betracht kommen. Die Frage, ob es sich unter Umständen um neue radioaktive Freisetzungen aus den havarierten Reaktoren selbst gehandelt haben könnte, wird in der Arbeit nicht diskutiert.
Zudem geben die Autoren selbst zu Bedenken, dass ihre Feststellungen von radioaktiven Freisetzung Zufallsbefunde durch mehrstündige Stichproben an einigen Tagen im Jahr darstellen und vermutlich viel öfter und ggf. auch mehr radioaktive Stoffe mit der Luft quer über Japan verbreitet werden. Stürme, Pollenflug, Dekontaminationsarbeiten und andere Ereignisse, die radioaktiven Staub aufwirbeln können, stellen somit eine weitere relevante gesundheitliche Gefahr für die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten dar.
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