Aktuelle radioaktive Freisetzungen in Fukushima

[10.08.2015] Mehr als vier Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe von Fukushima müssen die Behörden in Japan feststellen, dass die Dekontaminationsbemühungen in Teilen der verstrahlten Gebieten weit hinter den ursprünglichen Zeitplänen hinterherhinken oder immer wieder zurückgeworfen werden. Während Straßen und Plätze durch Abtragung von oberflächlichen Erdschichten und Säuberungsaktionen relativ gut von strahlenden Partikeln zu befreien waren und auch Wohngebiete durch ein massives Aufgebot an Personal und mühsame Kleinstarbeit zumindest temporär dekontaminiert werden konnten, stellen Felder, Waldgebiete und wildes Terrain unsanierbare Reservoirs an radioaktiven Stoffen dar und tragen immer wieder zur Rekontamination ehemals gereinigten Areale bei. Hinzu kommt, dass auf dem Gelände des havarierten Atomkraftwerks kontinuierlich neue Strahlung in die Umgebung frei gesetzt wird.

Die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) hat kürzlich einen neuen Bericht über die Strahlenbelastung in Fukushima veröffentlicht. Die Gesellschaft ist bekannt dafür, der Atomkraft nicht gerade kritisch gegenüber zu stehen und so ist durchaus bemerkenswert, was der Bericht zu Tage fördert. Zum einen stellt die GRS fest, dass Anfang 2015 „nach wie vor radioaktive Stoffe aus den Blöcken 1 bis 3 in die Umgebungsluft freigesetzt“ werden, u. a. durch Aufwirbelung kontaminierter Stäube und Verdunstung von kontaminiertem Kühlwasser. Bezogen auf den Zeitpunkt des Unfalls sind diese Emissionen natürlich um etwa zwei Größenordnungen geringer als die der ersten Wochen, erhöhen aber Tag für Tag die kumulative Gesamtmenge an freigesetzter Strahlung.

Im vergangenen Jahr fand man auch auf Reisfeldern außerhalb der Evakuierungszone relevante Cäsium-Kontaminationen jenseits der zugelassenen Grenzwerte. Das japanische Landwirtschafts-ministerium führte diese Kontaminationen auf Arbeiten zur Beseitigung von Trümmern an Block 3 zurück. Die vorgefundene Verteilung und Konzentration des Cäsiums ließe sich nicht alleine durch die Freisetzungen aus 2011 erklären, so das Ministerium. Demgegenüber geht die japanische Atomaufsichtsbehörde NRA davon aus, dass die Kontamination eher durch kontaminiertes Grundwasser und verstrahlte Flüsse verursacht wurde. Unabhängig davon, welche Einschätzung zutrifft, ist von einer relevanten neuen Verstrahlung von Reisfeldern außerhalb der Evakuierungszone auszugehen – eine Tatsache, die in den Auseinandersetzungen um den tatsächlichen Mechanismus der Kontamination nicht übersehen werden darf und die aufgrund der relevanten gesundheitlichen Auswirkungen kontaminierter Reisernten für die öffentliche Gesundheit nicht unterschätzt werden sollte.

Im Gegensatz zu Tschernobyl ereignete sich ein Großteil (etwa 79%) des radioaktiven Niederschlags der Atomkatastrophe von Fukushima nicht über Land sondern auf offenem Meer. Hinsichtlich der Kontamination von Meerwasser werden nahe des havarierten Atomkraftwerks trotz hoher Verdünnungseffekte weiterhin radiologisch relevante Konzentrationen im Meerwasser nachgewiesen (im Januar 2015 beispielsweise 15 Bq/l). So sind auch Fische und Schalentiere in der Nähe von Fukushima noch immer hochgradig verseucht: Laut GRS wurde in diesen Tieren „insbesondere im Bereich der Anlage regelmäßig radioaktives Cäsium nachgewiesen, teilweise auch mit spezifischen Aktivitäten oberhalb des japanischen Grenzwertes von 100 Bq/kg“. So seien beispielsweise im Februar 2013 Werte von bis zu 740.000 Bq/kg an radioaktivem Cäsium in Fischproben nachgewiesen worden, im Dezember 2014 immer noch Werte von bis zu 3.000 Bq/kg.

Verantwortlich für diese anhaltende Verstrahlung der japanischen Küste vor Fukushima dürften neu aufgetretene Freisetzungen von Radioaktivität aus den zerstörten Reaktoren und den undichten Speichertanks für kontaminiertes Kühlwasser sein. Die GRS schreibt in ihrem Bericht über Leckagen der gigantischen Wassertanks, durch die es immer wieder zu Freisetzungen ins Grundwasser und ins Meer kommt. Auch Undichtigkeiten in den Gebäuden tragen dazu bei, dass kontaminiertes Wasser ins Grundwasser gelangt. Die bisher höchsten Cäsium-Konzentrationen im Grundwasser wurden Mitte Oktober 2014 an einer Probeentnahmestelle in der Nähe des Kraftwerkgeländes nachgewiesen: die Werte lagen bei 67.000 Bq/l Cäsium-134 und 200.000 Bq/l Cäsium-137. Die Konzentration von Strontium-90 in Grundwasserproben lagen im Februar 2014 sogar bei bis zu 5.000.000  Bq/l. Sowohl Cäsium als auch Strontium sind als hoch-radioaktive Partikel eine Gefahr für Umwelt und Gesundheit, da sie mit Halbwertszeiten von 30, bzw. 29 Jahren über mehrere Jahrzehnte kontinuierlich Strahlung abgeben und nach Aufnahme durch Nahrung, Luft oder Wasser Krebserkrankungen auslösen können.

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